einkreisen / in alle richtungen
einkreisen / in alle richtungen
ein Kunstkonzept für die Treppenräume und Flure der Staatsanwaltschaft in der Infanteriestraße 9.
Das sanierte Kasernengebäude ist eine moderne zweihüftige Büroanlage mit natürlich belichteten Büroräumen, langen Fluren und zwei Treppenhäusern. Auffallend sind die denkmalgeschützten Holzgeländer und der rote Linoleumbelag, der sich durch alle drei Ebenen zieht. Aufgabe ist es, die langen Flure in den drei Geschossen, das Treppenhaus im Südeingang und den Luftraum vor dem denkmalgeschützten Holzgeländer beim Haupteingang zu gestalten.
Die künstlerische Idee von einkreisen / in alle richtungen
ist die Darstellung von Momentaufnahmen der staatsanwaltlichen Tätigkeit mit räumlichen und fotografischen Mitteln. Im Medium der Kunst wird die Statik der Räume dynamisiert, die Tätigkeit ihrer Bewohner in Bewegung verwandelt.
In allen Richtungen zu ermitteln heißt Indizienketten bilden und Beweisführungen aufzeigen. Dies sind sehr komplexe Abläufe zwischen Sachverhalten und deren Vermittlung, Aktenbergen und Akteuren. Um Objektivität wird gerungen, Gesetz und Lebenswirklichkeit werden abgeglichen, subsumiert, evaluiert. Auf den Gängen des Dienstgebäudes bilden sich die Spuren der Aktenwagen und Rollcontainer ab. Man eilt, wartet und kommuniziert, manche Zimmertüre ist geöffnet.
einkreisen / in alle richtungen
besteht aus drei 6 Meter langen „kondensstreifen“
EG: „in hoher geschwindigkeit“
1.OG: „in alle richtungen“
2.OG: „schnittmuster“
Basis der drei Tableau-Friese sind Erkundungen von Papierstreifen, wie sie zur Dekonstruktion von Akten (Papierreißwolf) im Büro entstehen. Der Inhalt der Akten löst sich auf und wird zu einem poetischen neuen Raumgebilde, das mit vereinzelten Buchstaben und Silben die Phantasie des Betrachters inspiriert.
„in hoher geschwindigkeit“: Für die Wandarbeit im EG habe ich dem Schredder gelockte Streifen aus holzfreiem Papier entnommen, die fotografisch inszeniert, digital komponiert und in Schärfen und Unschärfen versetzt wurden. So entsteht auf Türstockhöhe ein 6 m langer und 40 cm hoher Bildfries aus beschleunigten und entschleunigten Aktenbergen.
„in alle richtungen“: Im 1.OG sind die vom Büroalltag zurückgelassenen Papierstreifen durch ovale Ausschnitte hervorgehoben. Diese virtuellen „Lupen“ transportieren Silben und vereinzelte Buchstaben, die auf poetische Weise neue Zufallsgeschichten erzählen. „schnittmuster“: Im 2.OG sind Fotos von mir gestalteter Papierformen, die alle auf eine geordnete Fläche bedruckter Farbbögen zurückgeführt werden können. Hier findet die Dekonstruktion der Wörter in dreidimensionalen Systemen, den Schnittmustern, statt. Auch hier tauchen wieder Vergrößerungen in Linsenform auf. Den Auftakt zum Raumkonzept bildet eine 1,50 m hohe Lupenform aus 5 mm starkem Spiegelstahl.
Die Form spielt auf das Umkreisen an, das wir beim Markieren einzelner Wörter in Schriftstücken einsetzen.
Die Edelstahlscheibe ist nach dem digitalisierten Muster in 12 Teile per Plasma geschnitten und gebohrt. Die ersten vier Einzelsegmente erinnern an ein Semikolon, die konzentrisch folgenden acht Einzelellipsen an handschriftliche Hervorhebungen. Diese tauchen in den Fluren als „Einkreisungen“, Kommentare, Hervorhebungen, Zeichen auf.
Im EG erscheinen sie auf der Wand hinter den Besucherstühlen, im 1. OG an den Längsfluren und im Dachgeschoss als Raumelemente, die den Säulennischen am Anfang und Ende des Flurs zugeordnet sind.
Die Spiegelstahlringe sind mit Abstandshaltern auf die Wände montiert, so dass ihre Umrisse Schatten werfen. Über die Spiegelung werden Blickbeziehungen in den monotonen Fluren geschaffen. Die Verkehrsräume werden zu täglich neu erfahrbaren Erlebnisräumen, die das komplizierte und oft stressige Tagwerk der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit interessanten Sinneswahrnehmungen bereichern.