„repairing the world“ book & leporellos
Vorwort zum Ausstellungsbuch „reparaturen der welt“
von Nele Ströbel
In scheinbar chaotischer Selbstorganisation gehen Kreative vom vorhandenen Material aus, das über gezielte Eingriffe verändert und einer spezifischen Aussage oder Funktion zugeführt wird. Kreativität erweist sich als planvoll-spontanes Handeln zwischen Bindung und Freiheit. Die Leichtigkeit, sich in der künstlerischen Produktion über normative Regeln hinwegzusetzen, ist vergleichbar mit dem, was Claude Lévi-Strauss >bricolage< nennt, dem Basteln ohne tradierte Routine. An der >bricolage< partizipieren Kreative jeglicher Provenienz, Künstler, Bastler und Reparateure, im Slum oder in der Life-style-Loft. So wird Reparatur zum erfinderischen Vorgang, inspiriert von der ‚vorgefundenen Faktizität des fehlerhaften Objekts. >Fehler< lösen, ihrer Negativität ledig, kreative Energien aus.
Reparieren bedeutet im herkömmlichen Sinn ausbessern bzw. wiederherstellen. Die Grundvoraussetzung hierfür ist das kulturelle Wissen um Konstruktion und Funktionsweise, gepaart mit handwerklichem Geschick. In weiten Teilen der Welt gibt es keine verbriefte Ausbildung zum Handwerker. Der Reparateur ist auf seine persönliche Intuition und Improvisationsgabe angewiesen. Doch auch in Kulturen mit professionellen Reparaturbetrieben ist der Umgang mit Produktionsgütern der neuen Berufe selfmade und „Heimwerker“ erobern den alltäglichen Umgang mit den Dingen. In der immer komplizierter und komplexer werdenden Welt stehen sich zwei Glaubensgruppen gegenüber: „Wegwerfer“ und „Reparateure“.
Das seligmachende Glücksgefühl, etwas, ungeachtet der Effizienz im Einsatz von Mitteln und Zeit, wieder „heil“ machen zu können, ist im Privaten weitverbreitet. Der Prozess des Reparierens kann sowohl Flucht und Rückzug ins Detail als auch ein schöpferischer Erkundungsakt und Ausblick sein. Genauso faszinierend ist der „große Wurf“, eine visionäre Handlung, die allen Umständen zum Trotz Zeichen setzt, ohne sich im Detail zu verlieren. Kein Flickwerk, alles neu erfinden, nach „vorne denken“. Als bildende Künstlerin stehe ich dazwischen: repariere an Werkzeugen, verwandle mit wenig Materialaufwand architektonischen Raum, gebe den Dingen in einer Symbiose von Operieren, Reparieren, Modellieren und Montieren neue Bedeutungen. Durch die Reparatur von „Fehlern“ entsteht ein schöpferischer Akt, der Wandlung hervorbringt und weiterführende Lösungsprozesse in Gang setzt.
Der Wert der Dinge
Bei der Reparatur werden mit Fehlern behaftete Dinge nicht komplett ersetzt, sondern verändert wiederhergestellt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: etwa das Bewusstsein, dass die Ressourcen der Welt begrenzt sind, Angst vor Neuem, Armut und Sparsamkeit, Lust an persönlichem Eingriff, der den individuellen Wert der reparierten Dinge steigert, der intellektuelle Anreiz, die Dinge zu verbessern.
Das Herstellen und Wiederherstellen von Dingen erweist sich als universelle Tätigkeit, der Menschen in den unterschiedlichsten Berufen nachgehen. Das Begleitbuch umfasst 196 Seiten und zahlreiche farbige Abbildungen von Zeichnungen und Fotografien meiner Erkundungen. 20 VertreterInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik haben sich bereitgefunden, über Aspekte der Reparatur in ihrem Arbeitsbereich nachzudenken.
Nele Ströbel