viadukt
Das Viadukt beschreibt den Kulturraum als Landschaft. Es zieht als Träger von Zeichen seine Bögen wie ein Fluss. Es erinnert mich daran, dass ich die Begrenzung kenne. Es ist aufregend, weil es wie gefangen in die Knie geht und doch in der Ecke verschwindet aus der es aufgetaucht ist. Wenn ich an Brücken denke, kommen mir die Abgründe in den Sinn. Das Viadukt beschreibt den Kulturraum als Landschaft.
„H Ä M M E R N“ von Bernhard Waldenfels
„Mit seinen Händen nicht denken können, bedeutet einen Teil seines normalen und phylogenetisch menschlichen Denkens verlieren.“ (Andre Leroi-Gourhan: Hand und Wort)
Hämmern scheint etwas Grobschlächtiges und Mühseliges, das den „rohen An fängen“ der Menschheit entstammt. Die Hand führt aus, was der Geist ersinnt. Der Körper dient als Handlanger, bis am Ende Maschinen ihn ersetzen und für ihn hämmern und denken – so wie die Dreifüße des Schmiedegottes Hephaistos, die schon bei Homer „von selbst zur Versammlung der Götter erschienen“. Der Hammer ein Werkzeug auf Abruf? Die Hand ein absterbendes Organ, von dem am Ende nur noch der Zeigefinger bleibt, der Knöpfe bedient? Ist der Regreß der Hand der Preis, den wir für den Prozeß der Technik zu entrichten haben?
Die moderne Kunst, die sich längst zu den Voranfängen eines „art brut“ bekannt hat, lehrt uns, der Rede von den „rohen Anfängen“ zu mißtrauen. Die roten und blauen Hammer, die an Nele Ströbels VIADUKT auftauchen, lassen sich lesen wie Wasserzeichen im Papier.
Hämmern ist keine regellose Abfolge von Schlägen, sondern ein Rhythmus sich wiederholender Schläge, vergleichbar dem Pulsschlag, dem Pendelschlag der Uhr, dem Rhythmus von Tanz und Musik. Es ist eingelasse n in die vielfältige Bewegung des Lebens. – Hämmern ist keine blinde Bewegung, sondern eine, die ihr Ziel sucht, es umkreist und die im Glücksfalle auf Anhieb den Nagel auf den Kopf trifft. – Hämmern ist kein schierer Kraftakt, sondern ein Abtasten des Ma terials, das mit dessen Stärken und Schwächen rechnet, Stemmeisen und Keil zu Hilfe nimmt, um den Widerstand des Materials zu brechen, in seine Spalten einzudringen, ihm eine Form abzuringen. Die Bearbeitung des Materials lehrt uns die Widerständigkeit der Dinge, die dem luftigen Fernblick des Auges leichter entgleitet. – Hämmern ist kein einseitiges Beherrschen, sondern ein Kräftespiel zwischen Hand und Werkzeug . Der Schwung des Hammers zeigt bereits eine gewisse Eigenbewegung , die sich in maschinelllen Vorrichtungen , wie Preßluft hammer oder Eisenwerk nur verstärkt und verselbstständigt. Von Anfang an ist der Mensch nicht verwachsen mit seinem Werkzeug wie der Specht mit seinem klopfenden Schnabel. Das Tasten läuft stets über eine künstliche Tastatur , wie bei den Anschlägen auf dem Hammerklavier.
An der Schwelle zwischen Natur und Kultur, die ebenso unwiderruflich ist, ent springen sowohl die Erfindungen der Technik wie die Formenspiele der Kunst. Dort entspringen auch Ansprüche der Erfahrung, auf die wir zu antworten haben, ob wir es wollen oder nicht. Die einseitige Verfügung über die Natur in uns und außer uns ist nur eine Art der Antwort , nämlich eine gewaltsame. Mit archaisch verfremdeten Gesten und ironisch gebrochenen Techniken durchbr icht die Kunst den Schein eines unendlich anwachsenden Fortschritts. der nur noch den Im perativen der Selbsterhaltung folgt. „Mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel“ an solche Götzen rühren und horchen,wo es hohl klingt, gehört zu den Effekten einer Kunst, die sich nicht damit begnügt, technische Abläufe ästhetisch zu verdoppel n, sondern ihnen einen Überschuß an Erfahrungen entlockt:
Berge stehen auf, Räume sondern sich ab, Wasser ändert seinen Lauf …
Bernhard Waldenfels