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© NELE STRÖBEL

imbenge-dreamhouse
telephone wire

imbenge-dreamhouse

Das "imbenge-dreamhouse" - eine afrikanische Erfahrung


Nele Ströbel

Transportiere mit einem Fremden ein Klavier in den
dritten Stock und du wirst mehr über ihn erfahren
als in einem vielstündigen Gespräch.

 

Telephone wire art

Es waren zwar keine Klaviere, die manövriert werden mussten, aber die Ladung war genauso schwer, komplex und fragil: zwölf südafrikanische, deutsche, französische und japanische KünstlerInnen wollten gemeinsam ein Gesamtkunstwerk erschaffen.

Die Idee kam mir auf einer Reise in das südliche Afrika. Dort hatte ich sogenannte imbenge, Flechtarbeiten aus Telefondraht, in psychedelisch angeordneten Mustern, erworben, wie sie Zulu-Künstler seit den 1970er Jahren herstellen. Zurück in München erfuhr ich, dass bei der bevorstehenden Auflösung des Telegrafenamts in der Münchner Residenz viele Tonnen dieses schönen Materials entsorgt werden müssten.

(Imbenge bezeichnet im südlichen Afrika eine Grasflechttechnik, mit der fein gewobene Abdeckungen für (Bier-)Gefäße hergestellt wurden. Heute wird anstelle von Gras häufig Telefondraht verwendet.)

So entstand die Idee, aus Teilen des geschichtsträchtigen Kabels ein Haus der Kommunikation, einen Raum für den Dialog zwischen den Kulturen, zu schaffen. Diese "moderne Wunderkammer" erhielt den Namen
"imbenge-dreamhouse".

Das "imbenge-dreamhouse" ist ein Rundbau aus zwölf Einzelsegmenten von 1,20 Metern Breite und 2 Metern Höhe, die stabil ineinander verankert werden können. Die Rahmen sind aus Aluminiumprofilen mit einem Raster von Lochbohrungen an den Innenkanten.

Um es zu erbauen, brauchten wir gemeinsame Arbeitszeit in einem gemeinsamen Raum. Wir arbeiteten an zwei verschiedenen Orten, in der Werkstatt des Staatlichen Museums für Völkerkunde München und im Documentary Center in Durban.

Mit großem Engagement wurden die höchst unterschiedlichen Ideen zur Gestaltung der Rahmen entwickelt, diskutiert, erläutert, modifiziert und weiterbearbeitet. Wir arbeiteten zugleich von außen zum Zentrum des Hauses hin und im Innern, meist einzeln, manchmal kollektiv, ins Gespräch vertieft oder schweigend. Jeder realisierte seinen Teil der gemeinsamen Idee vom runden Haus der Kommunikation. Es entstand ein intensiver Erfahrungsraum. Die Aktivitäten der Nachbarn wurden zu Impulsgebern, lösten Verwunderung und Staunen aus, konnten aber auch einfach ausgeblendet werden. Indem wir im gleichen Rahmen lebten, unsere Zeit strukturierten und arbeiteten, mussten wir uns nicht immer wieder neu aneinander gewöhnen. Jeder war einfach da und leistete seinen Beitrag. Genauso wurden auch die vielen gemeinsamen tea-times, suppers und Abendaktivitäten gestaltet. Die Anwesenheit war selbstverständlich, der Rest ergab sich spontan.

Zum Abschluss des Workshops wurden die zwölf sehr unterschiedlichen Segmente des "imbenge-dreamhouse" neu zusammengestellt. Beginnen wir im Uhrzeigersinn:

Den Eingang hat Alfred mit einem Netzvorhang gefasst und gestaltet; die obere Mitte markiert eine "analoge CD" aus meiner Münchner Produktion.

Es folgt Alfred Radebes zweiteiliges Frauenstück "In Gedenken an den Marsch auf das Union Building in Pretoria 1956". Sein Rahmen besteht aus zwei Frauenfiguren, einer inneren und einer äußeren, als Hommage an die Kommunikation der Frauen in der Welt.

Im nächsten Rahmen hat Pipon weißen Telefondraht verwebt und mit einem horizontalen Riegel aus rotem Draht durchkreuzt. Lampen sind darin vernetzt und ergeben eine ruhige, selbstleuchtende Fläche, die auch zur Projektion dienen kann.

Mandlas quergestreifte Wand aus gelbem, grünem, rotem und weißem Telefondraht ist an der Außenseite mit Ikons bestückt und beschäftigt sich mit Kommunikation im ländlichen und städtischen Umfeld. Venske & Spänle installierten in München eine Arbeit mit dem Titel "Der Knoten - Welcome to Verizon", den sie so beschreiben: "Ein hoffnungsloser Kabelknoten, ein Chaos, bei dem nicht mehr entwirrbar ein neues Kabel für jeden neuen Anschluss gezogen werden muss." Nimmt man den an die Kabelkanäle geketteten Telefonhörer ab, ertönt vom Band "Welcome to Verizon. You will be disconnected" als endloses Loop.

Riaan hat im Inneren des "imbenge-dreamhouse" eine Telefonzelle errichtet. Hörer und Tastatur sind auf eine südafrikanische Fahne aus Telefondraht montiert. Die Fahne ist wie ein Mikrochip in einen Rahmen aus gelben Kabelsträngen in Kabelkanälen gespannt.

"SIT IN / VERWEILE DOCH" heißt mein Beitrag zu den Wänden des Hauses, ein Zusammenschluss aus der Aufforderung zum Verweilen in Goethes Faust und der angelsächsischen Einladung zum Platznehmen. Ein ganz gewöhnlicher afrikanischer Kunststoffstuhl aus den ausrangierten Beständen des Documentary Center wurde in fünf gleiche Teile zersägt. Die einzelnen Segmente erhielten einen Überzug aus schwarzweiß gestreiftem Telefondraht. Die so entstandenen, Ikat-ähnlichen Muster erinnern an Barcodes aus dem Supermarkt. Die einzelnen Teile des Stuhls sind mit dickgezurrten Seilen aus Telefondraht zu einer rhythmischen Komposition in den Rahmen gespannt.

Den nächsten Rahmen in unserem virtuellen Rundgang gestaltete Enoch. Er hat seine längsgestreifte, symmetrische Farbwand aus blau, grün, weiß, rot und gelb in der Horizontale durch blaue Spiralen getrennt. Auf der Innenseite seines Rahmens sind sechs imbenge-Halbkugeln und eine beleuchtete Maske aus Telefondraht angebracht.

Chiharu ist in einem Hardwarestore auf ein Readymade gestoßen. Das Holzfenster mit sechs Scheiben ist flüchtig verleimt und gekittet. In seiner Improvisiertheit wirkt es wie zerbrechliches Luxusgut für ein shack (einfaches Holzhaus). Seine Fragilität wird durch das rote Nervengeflecht aus Telefondraht im Rahmen verankert und zugleich optisch verstärkt. Inmitten der Synapsen ist eine kleine Tablette eingewebt, eine ironische Erinnerung an den Kampf gegen den Husten und Schnupfen: Der Klimawechsel vom winterlichen Deutschland ins subtropische KwaZulu Natal war für einige am "imbenge-dreamhouse" Beteiligten nicht ohne Folgen geblieben.

Happiness vollendete in Durban den Rahmen, den Chaifas in München begonnen hatte. Mit grauem, rotem, grünem, gelbem und weißem Telefondraht bildete sie horizontale Farbflächen, auf denen in Zulu die Willkommensworte "SAWUBONA" aus Draht angebracht sind.

Die zweite Arbeit von Venske & Spänle, wurde ebenfalls erst in Durban verwirklicht. Ein Digitaldruck zeigt einen Verteilerkasten für Telefonanschlüsse in Brooklin und korrespondiert mit ihrer plastischen Arbeit "Der Knoten - Welcome to Verizon" im Rahmen gegenüber.

Der Rundgang endet bei Zolas Bildrelief aus plastischen Symbolen für Europa und Afrika. Der Table Mountain, ein Telefon, Big Five, Fußball und der Eiffelturm mit Funkantenne sind aus Telefondraht geformt und in den Rahmen eingearbeitet.

Das Haus wurde in Afrika von einem digital bedruckten Textildach überspannt, das Bildergeschichten aus der Münchner Phase erzählte. Bei der Tournee des "imbenge-dreamhouse" durch europäische und afrikanische Museen und Galerien wird nach meinem Entwurf ein neues Runddach entstehen, auf das afrikanische Bildgeschichten kompiliert werden. Dieses Mapping soll das Projekt kontinuierlich begleiten und den prozesshaften Charakter des "imbenge-dreamhouse" versinnbildlichen.

Die Aktivitäten rund um das "imbenge-dreamhouse" wurden von den Filmemachern Stefanie Sycholt und German Kral, München, begleitet und dokumentiert. Zudem entstand Filmmaterial über die traditionelle Herstellung von imbenge aus Gras. Schauplatz für weitere Aufnahmen war das private Phansi Museum des Architekten Paul Mikula in Durban, eine der größten Zulu-Sammlungen Südafrikas, die zahlreiche Tongefäße zur Aufbewahrung von Bier mit den in imbenge-Technik geflochtenen Abdeckungen bewahrt.

Eine Aussage von Zola verdeutlicht, welchen Stellenwert die gemeinsame Arbeit im Laufe der Zeit für alle Beteiligten einnahm: "Nun sind wir connected. Lasst uns jedes Jahr ein 'imbenge-dreamhouse' auf einem anderen Kontinent bauen!"

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