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 einkreisen_in alle richtungen

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Werkschau LB Galerie 2009

Das Erkennen und Hinterfragen wissenschaftlicher und gesellschaftlicher  Zusammenhänge, das philosophische Beobachten des Machbaren und des Gelebten, im Virtuellen und in unserer Realität sind zentrale Themen, die  Nele Ströbel immer wieder neu beleuchtet und zur Diskussion stellt.  Sie wirft fundamentale Fragen auf, reflektiert über unsere irdische Existenz und über paradiesische Träume und verliert bei aller Ernsthaftigkeit nie den Humor. In dieser Ausstellung zeigt sie den Spannungsbogen ihrer Raumarbeiten und Projekte aus den letzten zehn Jahren. Das Zusammenspiel von Handzeichnungen, Digitaldrucken, Modellen und Projektionen visualisiert die vielschichtige künstlerische Herangehensweise an ihr Hauptthema: der Paradigmenwechsel von privatem und öffentlichem Raum. Mit einzelnen Kunstprojekten, die wie ein Geflecht zusammenhängen, veranschaulicht sie die Mehrfachcodierung verschiedener Ebenen unserer Kommunikations- und Wissensräume. Die Intensität einer sich permanent ändernden Welt, die Gleichzeitigkeit von Abläufen, die man linear so nie sieht und wahrnimmt, wird durch ihre Präsentation erfahrbar. Sie spielt mit Grenzen und mit fließenden Übergängen. Nele Ströbel definiert Räume, die mathematisch erfassbar sind, dreidimensional  oder als flache Volumen ohne Masse, wie bei Bauplänen. Die geistigen Räume, die sie bei wissenschaftlichen und religiösen Themen spiegelt, werden durch die Gedanken und die Kenntnisse der Betrachter zusätzlich verändert. Der ständige Austausch mit anderen Kulturkreisen ist ihr wichtig.

Die Bildhauerin Nele Ströbel schafft mehrteilige Werke, die sie zu speziellen Ausstellungsorten entwickelt und in den jeweiligen Kontext stellt. Ihre Arbeiten bestehen aus vielen Einzelobjekten, die sich als Installationen zu einem Ganzen zusammenfügen. So z.B. bei  ihrer „vogelwolke“, die von der dynamischen Geometrie einer aufstiebenden Vogelflugformation im Park angeregt ist und sich strahlenförmig in den Raum zieht; oder bei  „händels locke / eine klangwolke für Halle“, die einen räumlichen Wirbel bildet. der durch die expressiven Partituren und die Lockenpracht des Namenspatrons und die kommunikative Bedeutung der Stadt angeregt ist. „inside-out_eine sugarcube-Installation nennt sie ihren begehbaren Luftraum, der die Maße eines überdimensionalen Zuckerwürfels hat und als Projektionsraum fungiert. Die Idee entstand bei einem Arbeitsaufenthalt in Port of Spain, der Hauptstadt der Zuckerbarone und thematisiert den Zustand der Wohnhäuser mit derart dünnen und fragilen Wänden, dass die Grenze des öffentlichen und privaten Raum aufgelöst scheint. Für den Neubiberger Friedhof  hat sie eine Meditationsgarten mit Modulen aus „REM-Terrakotten“ aus gebrannter Erde geplant, deren Oberflächen an Urformen von Einzellern erinnern, die im Raster-Elektronen-Mikroskop sichtbar werden. Wenn sich der Blick und der Geist in die Raumgebilde vertieft, intensivieren sich die Erinnerungen an Traumgeflechte aus der  REM-Phase des Schlafes. Die  Raumkunst von Nele Ströbel  verändert die Räume, dynamisiert ihre Statik und lässt neue Verbindungen entstehen,  in direktem und übertragenem Sinne. „reparaturen der welt“ deutet darauf, dass sich die Grenzen zwischen Mensch und Maschine in Auflösung befinden und neu überdacht werden müssen.

Nina Felicitas Matt M.A.

Ausstellungskuratorin

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Für Baudelaire ist der Mensch ein weiträumiges

Wesen. Weiträumig, ausgreifend, eingreifend sind

auch die Arbeiten von Nele Ströbel, die sich nicht

ohne weiteres in eine Schachtel stopfen lassen.

Wagemutig verknüpft sie in ihrem vielschichtigen

Werk verschiedene Medien, Techniken und Materialien.

Nele Ströbel scheut dabei nicht die Annäherung

an Wissenschaften und moderne Technologien

und bindet immer wieder Erfahrungen aus

vielen Reisen in andere Kulturkreise ein. Ein Ausgangspunkt

und zugleich das Zentrum dieser künstlerischen

Arbeit ist die Frage nach dem Raum, nach

seinem Verschwinden – wenn Ort und Materie im

Datenstrom nicht mehr eine Einheit sind – nach

seiner Hartnäckigkeit: es geht um die Erforschung

des Raum-Orts, als einer belebten, verlebendigten

Gegend, nicht nur in der Kunst. Im Denken des

Raums liegen Wenden und Kehren. Nele Ströbels

kreiselndes Werk, das gleichsam immer wieder neu

ansetzt, sich in die verschiedensten Richtungen

erstreckt, scheint dieses Denken in Wendungen

in ihre Kunst mit hineinzunehmen, Lösungen „auf

Probe“ in den Raum zu stellen, der Betrachtung

freizugeben. Was in ihren Einkreisungen – in alle

Richtungen geschieht, ist eine Art Navigieren in

unkomprimierbaren Raumgefügen.

Den Raum denken: Wie, wann, warum wird Raum

als das Hegelsche „gleichgültige Auseinander“ zu

etwas anderem? Die künstlerische, aber auch die

architektonische Konstruktion ist vor diesem Spannungsfeld

zu sehen. In jeder Räumung, in jeder

Verortung ist nicht allein die Form, sondern die als

andauernder Prozess gedachte Formung, nicht die

Information, sondern die Transformation, die Gestaltung

das Wesentliche. Raum gibt es nie a priori. In

aller Konsequenz, in allem Widersinn recherchiert

Nele Ströbel in ihrem weiträumigen Werk, das vom

einzelnen Werkzeug zur Gestaltung eines Zimmers,

vom offenen Feld zur Behausung, von der Rauminstallation

zur Topographie eines magischen

Damaskus, vom Garten zur Grotte springen kann,

das Geheimnis des Raumes, baut Brücken zwischen

Bildern und Wissen, zwischen Vergangenheit und

Zukunft, zwischen Leiblichkeit und Optik: Ihr Werk

als eine andauernde Konfiguration von Fragen an

den Raum und das Sein in ihm.

Ohne Scheu, unverdrossen, ganz selbstverständlich

und doch mit leichter Ironie macht sich Nele Ströbel

an die Reparatur der Welt, bewegt sich dabei

souverän zwischen der Werkstatt des Künstlers und

dem Labor des Wissenschaftlers, zwischen Improvisation

und Perfektionismus, zwischen künstlerischem

Wagnis und vorrangiger Recherche, zwischen

traditioneller handwerklicher Arbeitsweise

und virtueller Simulation, wobei keine Möglichkeit

ausgeschlossen, keine Möglichkeit verabsolutiert

wird. Kühn wechselt sie ihre Medien und Felder,

arbeitet auf mehreren Ebenen und in Zwischenräumen

– zwischen Räumen. Heiter flottierend und

ohne Angst vor hybriden Zusammenstellungen, vor

großen Fragen und ganz konkreten Lösungsvorschlägen

gibt sie mäandernde Raumversionen.

Dr. Dorothée Bauerle-Willert, Kunsthistorikerin