siehe think_pad siehe maschinenraum siehe Buch-Übersicht siehe reparaturen der welt siehe Home 

© NELE STRÖBEL

 

reparaturen der welt -
Das Buch


reparaturen der welt

Einführung:
4. Cyberspace und die Reparatur am Menschen

Claude Lévy-Strauss' Denkmodell des "wilden Denkens" ist aktueller denn je. Immer wieder werden moderne Mythen aus einer hybriden Verknüpfung von animierter Simulation neuester wissenschaftlicher Ereignisse mit alten Sagen kreiert, wie es uns die Texte über den cyberspace von Rötzer, Virilio, Flusser und anderen zeigen. Diese Rezeption kreist um die Phänomenologie der Faszination, ist aber nicht selbst involviert. Es wird entweder vor möglichen Verlusten in der primären Erfahrung gewarnt oder eine den meisten Erwachsenen unbekannte Welt mehr oder weniger sachkundig abgehandelt. Dabei fehlt die Beschreibung der starken mythologischen Kraft, der eigentlichen Attraktivität, die diese Welt der Cyborgs so faszinierend macht, da sie die Aufhebung tradierter Grenzen zwischen Mensch und Maschine vergegenwärtigt und zugleich eine Gegenwelt, in deren Sphäre junge Menschen leben, erschafft. Diese Welt ist von starken Gefühlen und Phantasien über die Machbarkeit von Veränderungen und Ergänzungen der biologischen Grundausstattung des Menschen geprägt. Menschen können in jeder erdenklichen Form 'aufgerüstet' werden, sich technische Errungenschaften einbauen oder eingebaut bekommen. Sie können sich individuell zu Superwesen perfektionieren oder von Mächtigen komplett manipuliert und instrumentalisiert werden. Aber sind diese Veränderungen wirklich so vielschichtig und komplex, um den Nimbus moderner Mythen zu haben?
Fakt ist, dass sich die Grenzen zwischen Menschen und Maschinen in Auflösung befinden. Der Mensch verbringt immer mehr Zeit mit Maschinen, und diese werden ein immer intelligenteres und anspruchsvolleres Gegenüber. Da sie von Menschen programmiert werden, haben sie "menschliches Verhalten", das sich zum Beispiel in unlogischem Benehmen, Abstürzen, Macken und Fehlern niederschlägt. Sie erscheinen uns als ein lebendiges Gegenüber, dem entsprechend mit emotionaler Intelligenz begegnet werden muss. Die Maschinen lernen nach eigenen Regeln und zwingen uns diese oft auf. Die Fragmentierung von Erfahrung und Wissen löst die Erkenntnis aus, dass bestimmte, vielleicht zu mühselige oder uninteressante Notwendigkeiten durch das Implantieren von Wissen erledigt werden können. Daraus entwickelt sich für viele ein Leben auf der Überholspur: die Informierten, die Avantgarde der Wissensgesellschaft rüstet sich auf und fusioniert zu noch leistungsstärkeren Gebilden.
Der Entwurf dieser virtuellen Welt zeigt deutlich, dass der Mensch durch die Möglichkeiten der Gentechnologie Gefahr läuft, zu einem Objekt der Reparatur zu verkommen: Der Mensch wird immer weniger verletzbar, hat das ewige Leben, aber was dann? Was bedeutet unter solchen Vorzeichen wiederherstellen, reparieren? Wo bleibt die schöpferische Qualität? Welche ethischen Kriterien liegen dem technischen Aufrüsten des Menschen zugrunde? Auch die zunehmende Aufhebung der Grenze zwischen Mensch und Maschine wirft viele kontroverse Fragen auf, wie zum Beispiel: Was haben diese technischen Möglichkeiten für ethische Konsequenzen? Was ist faszinierend an dieser Perspektive und gibt es einen technologischen Gewinn? Und angesichts des "neuen Animismus", den die künstliche Intelligenz auslöst (Computer bekommen Gefühle, werden zu Haustieren oder gar Geliebten), kann man sich mit Recht fragen: Was bietet das Leben in der Welt der Cyborgs für Unterhaltungs- und Erkenntnisqualitäten, die die reale Welt nicht hat?
Unter diesen Vorzeichen erweist sich das Herstellen und Wiederherstellen als universelles Geschehen und als eine universelle Tätigkeit, der Menschen in den unterschiedlichsten Berufen nachgehen. 22 VertreterInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik haben sich bereitgefunden, über Aspekte der Reparatur in ihrem Arbeitsbereich nachzudenken. Auf diese Weise ist eine kaleidoskopartige Textsammlung entstanden, mit der es sich durch Wissensräume, aber auch durch die Ausstellung navigieren lässt, die das zentral gelegene städtische Maximiliansforum als Werk- und Denkstatt nutzt. Auf diese Weise verwandelt sich der unterirdische Stadtraum in ein künstlerisches und kommunikatives Labor auf Zeit, in dem das Thema reparaturen der welt vielschichtig visualisiert wird.
Dabei sind die thematischen Räume der Ausstellung komplementär angeordnet:

Raum a) think_pad - "Denkraum"

Raum b) maschinenraum

nach oben